Das Grundgesetz fürs Internet
Die EU arbeitet derzeit an zwei Gesetzesvorhaben, die das Internet für das nächste Jahrzehnt prägen sollen und natürlich auch den Online-Handel betreffen. Worum geht es beim sogenannten „Grundgesetz fürs Internet”?
Seit 2019 wird in Brüssel an dem digitalpolitischen Kernprojekt der EU-Kommission unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gearbeitet: dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA). Ziel ist es, einheitliche Regelungen für die digitale Wirtschaft in der gesamten EU zu schaffen. Denn die aktuellen EU-Vorgaben für das Internet sind teilweise über 20 Jahre alt und wurden längst vom technischen Fortschritt überholt. Einige Mitgliedstaaten wie Deutschland haben sich zwar bemüht, ihre eigenen nationalen Gesetze aktuell zu halten, doch ein einheitliches Regelwerk, das gleiche Bedingungen im europäischen Binnenmarkt schafft, fehlt.
Das soll mit der Einführung von DMA und DSA ein Ende haben. Der DMA soll den Wettbewerb in der digitalen Wirtschaft schützen und zielt insbesondere auf die großen US-Riesen im Digitalbereich ab. Der DSA beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftlichen Fragen, wie illegalen Inhalten im Netz und Transparenz für Verbraucher. Die Spannbreite der Themen, die von den zwei Gesetzen erfasst werden soll, ist dabei enorm und reicht von einem Verbot von Dark Patterns im Online-Handel über die Zerschlagung von großen Digitalkonzernen bis hin zu wirksamen Vorgehen gegen sexualisierte Gewalt im Netz. Aufgrund der Menge an Regelungen werden DMA und DSA auch schonmal als neues „Grundgesetz fürs Internet” bezeichnet.
Viele wichtige Schritte wurden bereits gemacht
Noch sind DMA und DSA nicht finalisiert, sondern nur in einem Entwurfstatus, doch zahlreiche wichtige Schritte auf dem Weg zu fertigen Gesetzen wurden bereits genommen. Der Startschuss fiel im Dezember 2020, als die EU-Kommission die zwei ursprünglichen Entwürfe veröffentlichte. Nach einer längeren Abstimmungsphase, befinden sich Vertreter von EU-Parlament, Ministerrat und Kommission seit Februar 2022 nun in den sogenannten „Trilog-Verhandlungen” und versuchen einen Kompromiss zwischen ihren unterschiedlichen Positionen zu finden.
Bis zu einem Ende der Verhandlungen und einem fertigen Gesetz dürfte es noch eine Weile dauern. Mit einer Einigung wird nicht vor dem dritten Quartal 2022 gerechnet. Der DMA und DSA könnten dann frühestens 2023 in Kraft treten.
Darum geht es im Digital Markets Act: Der digitale Wettbewerb soll geschützt werden
Der DMA soll den digitalen Wettbewerb neu regeln und die Gesetzeslage innerhalb der EU modernisieren und vereinheitlichen. Er soll nur wenige, sehr große Unternehmen – die sogenannten „Gatekeeper” – betreffen. Das Ziel ist, bestenfalls proaktiv gegen das Entstehen von zu großer Marktmacht einzelner Unternehmen vorzugehen. So will die EU den Wettbewerb zwischen US-amerikanischen Digitalriesen und europäischen Unternehmen fair gestalten und Monopolbildung verhindern.
Als Gatekeeper sollen solche Unternehmen gelten, die einen signifikanten Einfluss im Binnenmarkt haben, in mehreren EU-Staaten aktiv sind und als Plattformdienst zwischen Verbrauchern und Unternehmen vermitteln.
Doch aufgrund von sehr hohen Anforderungen an den Jahresumsatz und die Nutzerzahl würden derzeit nur etwa zehn bis fünfzehn Konzerne als Gatekeeper gelten. Darunter finden sich natürlich Google, Amazon oder Meta, aber auch Salesforce oder SAP könnten betroffen sein.
Für Gatekeeper soll es nach dem DMA verbotene Geschäftspraktiken geben, wie etwa die Ausspielung personalisierter Werbung an Minderjährige, die Zugriffsverwehrung auf Transaktionsdaten für gewerbliche Nutzern oder Selbst-Bevorzugung eigener Produkte in der Suchergebnisanzeige. Gleichzeitig soll die EU-Kommission besser gegen bestimmte Firmenübernahmen vorgehen können. Gerade das EU-Parlament setzt sich außerdem dafür ein, dass Messenger-Dienste interoperabel werden. Dann soll man Nachrichten auch zwischen verschiedenen Anbietern versenden können, wie es etwa bei E-Mails möglich ist.
Wenn Gatekeeper gegen Regelungen verstoßen, kann im Härtefall eine Zerschlagung von Digitalkonzernen angeordnet werden. Dies ist jedoch nur das äußerste Mittel. Eher sind Bußgelder als Sanktion vorgesehen, die bis zu zwischen zehn und 20 Prozent des Jahresumsatzes betragen könnten.
Das steht im Digital Services Act
Im Gegensatz zum DMA soll der DSA nicht nur für Gatekeeper, sondern für alle digitalen Dienste gelten. Trotzdem soll es mehr Regeln für größere Dienste geben, als für kleine. Die EU will im DSA dafür sorgen, dass Online-Marktplätze eine Identitätsprüfung bei geschäftlichen Nutzern durchführen sollen. Markeninhaber sollen besser gegen Produktfälschungen vorgehen können und große Plattformen wie Amazon müssten bei sich selbst eine Risikobewertung vornehmen, um das Vorgehen gegen illegale Produkte zu verbessern.
Algorithmen auf Plattformen sollen transparenter gemacht werden, sodass Verbraucher nachvollziehen können, warum sie ein bestimmtes Ergebnis erhalten haben. Im Online-Handel sollen Dark Patterns – also Designpraktiken, die Online-Käufer zu einer Entscheidung manipulieren sollen – verboten werden.
Illegale Inhalte im Netz – die Spanne reicht von Hate Speech und terroristischen Inhalten über Darstellungen sexualisierter Gewalt bis hin zu Urheberrechtsverletzungen – sollen außerdem schneller entfernt werden. Die EU will für wirksame Beschwerde- und Meldesysteme sorgen, sodass Unternehmen wie Internetnutzer solche verbotenen Inhalte einfach melden können. Provider und Plattformen sollen zur schnellen Löschung verpflichtet sein und Straftaten direkt an Ermittlungsbehörden melden.
Bei Verstößen gegen den DSA drohen Unternehmen Strafen in Höhe von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Das EU-Parlament will sogar, dass Verbraucher Anspruch auf Schadensersatz haben, wenn große Plattformen gegen Sorgfaltspflichten nach dem DSA verstoßen.
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Über den Autor
Patrick Schwalger ist Politik-Experte und bearbeitet für den Händlerbund die politischen Entwicklungen, die den Online-Handel bewegen und schreibt regelmäßig als Autor für OnlinehändlerNews.
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